Aus dem Homeoffice gesendet
Eigentlich wollte ich ja nichts über die Corona-Krise schreiben, denn das machen ja alle – auch die, die sonst eher wenig von sich erzählen. Weil sie ja jetzt Zeit haben. Und sich langweilen. Und eigentlich ist ja auch alles bereits gesagt, allerdings nicht von jedem. Daher bin ich nun dran. Nun gehöre ich zu denen, deren Arbeitsvolumen durch die Krise eher zu- als abgenommen hat. Nur, dass ich bei der Arbeit statt vor diversen Monitoren vor einem einzelnen Schirm sitze, in den ich ganz viele kleine Fenster quetsche und dabei hoffe, dass meine ländlich-sittliche Schmalbandverbindung das mitmacht. Die Glasfaserleitung des örtlichen Monopolanbieters hat es bisher leider erst bis zur nächsten Kreuzung geschafft, statt, wie ursprünglich für 2018 angestrebt, bis in mein Arbeitszimmer.
Ansonsten ist eigentlich alles wie immer. Nur ohne Kollegen. Und Kantine. Und Gespräche. Und Austausch. Dafür kann man in der Pause auch mal die Waschmaschine ausräumen. Zum Glück arbeite ich auch ohne Videokonferenz, denn trotz des selbstauferlegten Trageverbots von Jogginghosen – sind unprofessionell! – sinkt die optische Vorzeigbarkeit mit jedem Tag, an dem das Haupthaar ungehindert weiterwachsen darf.
Eine HD-Übertragung des Konterfeis könnte also einige Kollegen verunsichern, wäre aber aufgrund der mangelnden Bandbreite zum Glück ohnehin eher eine Illusion. Trotzdem schleicht sich immer öfter der Gedanke ein, man könne doch einmal die 350-Watt-Pferdeschermaschine aus dem Keller holen … vielleicht aber auch erst, wenn die Strähnen zur ernsthaften Sichtbehinderung werden.
Also: Das Beste daraus machen und die Ruhe genießen, die noch intensiver wird, wenn man einfach mal die Seele baumeln lässt, die Beine ausstreckt – und dabei an den Schalter der Steckdosenleiste kommt, die Computer und Netzwerkkomponenten versorgt. Okay, dann steigt der Puls erst einmal wieder. Eigene Erfahrung.
Der Rasen hat seine erste Frisur ebenfalls noch vor sich. Die mit guten Vorsätzen gekauften Primeln haben es nicht in die Beete geschafft und sind mittlerweile eingegangen wie, nun ja, Primeln. Aber morgen lasse ich den Computer aus und halte zwei Meter Abstand vom Gerät. Ganz bestimmt. Wahrscheinlich.
Wulf Rohwedder