Vier Wege aus dem Stress
Kennen Sie das auch? Sie haben zu viele Dinge zu erledigen, Informationen prasseln auf unterschiedlichen Kanälen auf Sie ein, alle wollen etwas von Ihnen und Sie wissen gar nicht, wo Sie anfangen sollen? Ihr Stresslevel steigt und das fühlt sich ganz und gar nicht gut an. Was passiert da eigentlich in Ihnen? Was können Sie dagegen tun? Womit sollen Sie anfangen? Und wie, denn eigentlich haben Sie ja gar keine Zeit …
Fangen wir mit der ersten Frage an. Stress ist ein Reiz-Reaktions-System. Wenn dieses System Reize von außen als Stress bewertet, dann wird in unserem Organismus immer die gleiche Reaktion ausgelöst. Dieses System hat uns während der Evolution in gefährlichen Situationen beim Überleben geholfen – es ist ein Überlebenssystem und trimmt uns auf körperliche Leistung. Das tut es übrigens heute immer noch. Wir haben zwar hierzulande keine wilden Tiere mehr, die frei herumlaufen und uns als Mahlzeit betrachten, dafür gibt es andere lebensgefährliche Reize, denken wir nur einmal an den Straßenverkehr.
Das Reiz-Reaktions-System wird von unserem Autonomen Nervensystem (ANS) geregelt und das läuft, wie der Name schon sagt, unbewusst ab. Wenn dieses ANS einen Reiz als Stress wahrnimmt, springt es an. In der Jäger- und Sammlerzeit waren es Reize wie gefährliche Tiere, andere Jäger, Witterungsverhältnisse und anderes. Es waren wenige Reize, aber die waren lebensgefährlich.
Heute im Zivilisationsalltag reizen uns Zeitdruck, Leistungsdruck, Informationsüberflutung auf vielen Kanälen, Technik, die nicht funktioniert, der nervige Kunde, Kollege, Chef … – kennen Sie das? Wir haben heute viele Reize, die meisten davon nicht lebensgefährlich, aber unser ANS kann das nicht unterscheiden. Es reagiert auf diese Reize häufig mit der Stress-Reaktion und schüttet somit über den Tag verteilt immer wieder Stresshormone aus. Unser System kommt ins Ungleichgewicht und das führt zu Problemen und langfristig zu Krankheit. Das ist die schlechte Nachricht.
Die gute Nachricht ist: Sie können das ändern. Zum Glück haben wir nicht nur das ANS, sondern können auch bewusst Reize wahrnehmen und diese bewerten. Und genau das tun wir viel zu selten. Wir sind in Gedanken schon drei Schritte weiter, haben vier Sachen im Kopf und merken gar nicht, dass wir gerade schon wieder in Stress geraten. Kennen Sie das?
Der erste Weg raus aus dem Stress
Bewusstes Wahrnehmen ist der erste Schritt, wenn man Stress reduzieren will. „Bin ich gerade gestresst? Warum stresse ich mich hier gerade? Ist das sinnvoll für mein Stresslevel, mein Wohlbefinden, meine Gesundheit? Wird das gewünschte Ergebnis durch Stress besser oder schlechter?“
Franky´s Praxistipp: Wir bewerten alle Reize, die wir aufnehmen. Das geschieht entweder bewusst, weil ich mich darauf konzentriere oder, wenn unser Bewusstsein gerade mit anderen Dingen beschäftigt ist, unbewusst. Treten Sie zukünftig, sobald Sie das bemerken, einen Schritt zurück und wechseln Sie damit bildlich kurz in die Hubschrauberperspektive. Betrachten Sie sich von außen in der Situation und stellen sich die drei folgenden Fragen:
1. Ist Ihr Leben durch die Situation, die Sie gerade stresst, akut in Gefahr? Falls ja, unbedingt handeln (-; Falls nein – weiter mit Frage zwei
2. Wenn Sie nur noch drei Monate zu leben hätten, würden Sie sich von der Situation, die Sie gerade stresst, stressen lassen? Falls nein– weiter mit Frage drei
3. Wenn Sie die Situation, die Sie gerade beginnt zu stressen, einem vierjährigen Kind erklären müssten, würde das Kind verstehen, warum Sie gerade gestresst sind?
Bei dreimal Nein, dürfen Sie sich zukünftig bewusst entscheiden, ob Sie sich stressen lassen oder kurz mal über sich selber und Ihr automatisiertes Verhalten schmunzeln und entspannt bleiben. Falls Sie sich nicht stressen lassen wollen, dann nehmen Sie ein paar langsame, tiefe Atemzüge im Anschluss an die drei Fragen, am besten bei geöffnetem Fenster.
Diese Technik ist einfach und Sie benötigen für die drei Fragen nicht mehr als eine Minute. Wenn Sie sich danach dafür entscheiden, sich für dieses Mal keinen Stress zu machen, dann kommen noch zwei bis drei Minuten für das Atmen dazu. Das passt in jeden Alltag!
Diese Technik funktioniert hervorragend bei den vielen, kleinen, täglichen Stressoren – ich nenne sie in meinem Buch „Banal-Stressoren“. 80 Prozent unseres Stresslevels wird von ihnen bestimmt, so die Stressforschung. Nur 20 Prozent gehen auf das Konto der großen, negativen Lebenssituationen (Jobverlust, Trennung, schwere Krankheiten etc.), wofür die Technik natürlich nicht gedacht ist. Es geht aber auch nicht darum, das Stresslevel auf Null zu reduzieren. Kein Stress ist keine Lösung! Unser Reiz-Reaktions-System benötigt Stressreize, dafür ist es ja konzipiert. Es geht um eine vernünftige Balance. Und die erreichen Sie, wenn Sie an einigen „Banal-Stressoren“ Ihre Bewertung überdenken und dort den Stress eliminieren.
Das war der erste Weg raus aus dem Stress, der rationale Ansatz. In der nächsten Kreisel-Ausgabe geht es dann um den körperlichen Ansatz …
Frank Ritter
Frank Ritter
› Experte für Gesundheit und Stressmanagement
› Buch-Autor
› Ehemaliger Leistungssportler