Heimkino 2
Annekes (Ent-)Spannungstipps
Der Winter klopft schon kühlen Atems an die Tür, die Bäume verwandeln sich langsam von orangefarben zu kahl, die Heimkuschellaune steigt und warmer Tee, Glühwein, Sofa und Wollsocken locken – es ist so weit, die gemütlichste Zeit des Jahres beginnt! Während sich mit Glocken klingelnde Rentiere über das nächtliche Himmelszelt schwingen und alle Häuser vom Holiday Spirit erfüllt nach Lebkuchen und Plätzchen duften, haben Sie sich bereits entspannt zurückgelehnt und streamen. Im Film oder in der Serie Ihrer Wahl muss es nicht um Weihnachten oder Neujahr gehen – Hauptsache, Sie haben einen schönen Abend.
In der kalten Jahreszeit finden Sie vielleicht die Ruhe und Muße eine ganze Serie zu verschlingen, und falls Sie ein Fan von Terry Gilliams 12 Monkeys, Per Anhalter durch die Galaxis oder der Serie Community sind, möchte ich Ihnen herzlichst Dirk Gentlys Holistische Detektei empfehlen, die in Ihrem Netflix-Abo enthalten ist. Die auf Douglas Adams‘ Buchreihe basierende Detektivserie mit ausgeprägtem Hang zu Sci-Fi und Fantasy mag vielleicht auf den einen oder anderen Zuschauer zwischenzeitlich abstrus und willkürlich wirken, ist aber in ihrer Merkwürdigkeit überraschend komplex und herzerwärmend – und sie macht definitiv sehr viel Spaß.
Die kindlich-naive Titelfigur Dirk stolpert scheinbar zufällig in ausschlaggebende Fälle und unwichtig wirkende Situationen, die letztendlich ein zusammenhängendes Rätsel ergeben, welches er als sogenannter holistischer Detektiv zu entschlüsseln vermag. Kern und Herz der Serie sind die Charaktere und ihre Beziehung zueinander. So werden Sie zum Beispiel Elijah Wood, der Frodo in der Der Herr der Ringe-Trilogie mimte, als Dirks unfreiwilligen Assistenten genauso ins Herz schließen wie seine an Halluzinationen leidende Schwester Amanda, die leicht neurotische Leibwächterin Farah, eine Gruppe randalierender Vampire oder die holistische Assassine Bart.
The Peanut Butter Falcon ist ein absolutes Feel-Good-Movie mit einem wunderbar harmonierenden, talentierten Cast und einer herzerwärmenden Geschichte. Ein junger Mann mit Down-Syndrom namens Zak lebt, da er keine Familie hat, in einem Altersheim, fühlt sich dort aber aufgrund seines Alters und seines Wunsches nach Unabhängigkeit unwohl, weswegen er eines Nachts durch das Fenster verschwindet. Erzählt wird nun Zaks Reise, an deren Ende er hofft seinen Traum erfüllen zu können – denn Zak möchte Wrestling bei seinem großen Vorbild Salt Water Redneck lernen. Auf der Reise trifft er auf Tyler (dargestellt von Shia LaBoeuf), der nach dem Tod seines Bruders den Halt verloren hat. Gemeinsam reisen sie weiter, bevor bald auch Zaks Betreuerin Eleanor (Dakota Johnson) hinzustößt und sie zu einem Trio macht. Die Filmemacher ließen sich beim Schreiben des Drehbuchs nicht nur von den Geschichten um Huckleberry Finn inspirieren, sondern vor allem von Zaks Darsteller selbst, Zack Gottsagen. Beeindruckt von Gottsagen und seinem Wunsch Schauspieler zu werden, schrieben sie diese Geschichte eines jungen Mannes mit Down-Syndrom, der auszieht, um seinen Traum zu erfüllen. Den Film gibt es leider momentan noch nicht inklusiv in Streaming-Abos, doch ist er mietbar auf mehreren Plattformen.
Mit Alice Wus Nur die halbe Geschichte zeigt Netflix einen gelungenen, wohlstimmenden Coming-of-Age-Film über die letzten Tage der Schulzeit, Liebe und Freundschaft. Die moderne Variation der Cyrano de Bergerac-Story erzählt die Geschichte von Ellie Chu, einer intelligenten, zurückhaltenden Außenseiterin aus bescheidenen Verhältnissen, die für ihre Mitschüler gegen Bezahlung Schularbeiten verfasst. Als der Sportler Paul an sie herantritt, damit sie für ihn Liebesbriefe an seinen Schwarm, die Pastorentochter Aster, schreibt, nimmt Ellie dies nur widerwillig an, denn eigentlich ist auch sie in Aster verliebt. Bald entwickelt sich zwischen den ungleichen Teenagern Paul und Ellie eine schöne, innige Freundschaft und alle drei Hauptcharaktere finden durch den Briefwechsel zu sich selbst.
Just Mercy ist einer der eindrücklichsten Filme, die ich in diesem Jahr gesehen habe. Zu Zeiten, in denen z.B. die Black Lives Matter-Bewegung in den Vereinigten Staaten wegen der fortbestehenden systemischen Diskriminierung von Schwarzen US-Amerikanern immer wichtiger und einflussreicher wird, wirkt dieser Film gleichzeitig aufwühlend und hoffnungsvoll. Dies ist weit mehr als ein Gerichtsfilm. Er basiert auf den Memoiren des realen Anwalts Bryan Stevenson, der seit 1985 für Menschenrechte und Gleichberechtigung kämpft und bereits viele Menschen vor dem Tode bewahrt hat, die unschuldig verurteilt wurden. In Just Mercy wird der langwierige Kampf des damals erst 28-jährigen Stevenson (dargestellt von Michael B. Jordan) erzählt, der die Unschuld eines Todestraktinsassens (dargestellt von Jamie Foxx) beweisen will. Hierbei kämpft Stevenson gegen systemischen Rassismus, sowohl gegenüber seinem Mandanten als auch sich selbst, doch zeigt der Film auch viele berührende Momente des Zusammenhaltes und der positiven Auswirkungen eines gerechten Kampfes. Diesen Film für Fans von Green Mile, Die Jury und Selma gibt es im Sky Ticket oder zum Ausleihen auf vielen anderen Plattformen.
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Völlig ignorieren möchte ich das Weihnachtsthema doch nicht. Falls Ihnen der Sinn nach Weihnachtsgeschichten steht, können Sie auf Netflix z.B. die norwegische Dramedy-Serie Weihnachten zu Hause finden, welche auf erfrischend-realistische Art von den Liebeswirrungen und der Selbstfindung einer Krankenschwester erzählt, die ihrer Familie verspricht, ihren (eigentlich ausgedachten) Freund zum Weihnachtsessen mitzubringen. Auch die Weihnachtslieblinge Drei Haselnüsse für Aschenbrödel und Liebe braucht keine Ferien sind im Netflix-Abo enthalten, genau wie Stirb Langsam, falls Sie gerne Action mit dem Weihnachtsthema kombiniert sehen möchten. Im Prime-Abo locken auch dieses Jahr die romantischen Komödien Tatsächlich … Liebe und Schokolade zum Frühstück mit Weihnachtsgeschichten. Oder Sie leihen sich einen absoluten Klassiker aus und erfreuen sich an Ist das Leben nicht schön? mit James Stewart und Donna Reed aus dem Jahr 1946. Diese letztlich optimistische Weihnachtstragikkomödie von Frank Capra ist eine humorvolle Hymne auf kleinstädtische Solidarität und wird nicht grundlos bis heute in vielen Filmen und Serien zitiert und referenziert.
Anneke Schewe