Waldgespräch mit Gerhard Delling
Interview mit dem ehemaligen ARD-Sportschau-Moderator
Bereits zum dritten Mal hat ein Gast Platz auf unserem „Interview“-Sofa im Tangstedter Forst genommen. Dieses Mal hat der Kreisel mit Gerhard Delling ein interessantes Waldgespräch geführt.
Thomas Staub, Duvenstedter Kreisel:
Moin Gerhard, schön, dass Du es auf unser Sofa zum Waldgespräch geschafft hast. Wir kennen uns persönlich vom Norddeutschen Rundfunk, deswegen duzen wir uns auch. Du bist einer der beliebtesten und erfolgreichsten Sportmoderatoren in Deutschland, Journalist und bist sogar zur Kultfigur an der Seite von Ex-Fußballprofi Günter Netzer geworden – jeder kann sich noch an Eure legendären Moderationen und Analysen diverser Fußballländerspiele erinnern.
Vor zwei Jahren hast Du nach 30 Jahren als ARD-Sportschau-Moderator aufgehört. Was hast Du seitdem gemacht?
Gerhard Delling: Wie immer: mehrere Sachen! Ich habe konzeptionell am „Schweinsteiger-Film“ mitgearbeitet, schreibe weiterhin wöchentlich meine Fußballkolumne für den shz-Verlag, habe einige, allerdings wegen Corona nur wenige, Coachings bzw. Beratungen gemacht, die Sprache, Sprechen, Ausdruck zum Thema haben, ich lehre an der Fach-Uni des deutschen Mittelstands in Hannover Sportjournalismus/Journalismus und entwickle Konzepte fürs Bewegtbild in TV oder Netz. Zudem engagiere ich mich für die Hamburger Bürgerstiftung, die Alexander Otto Sportstiftung und bin im Aufsichtsrat der Uwe Seeler Stiftung. Darüberhinaus helfe ich mit, ein Contentkonzept für eine Fußball App zu entwickeln, die hoffentlich bald online geht und habe endlich meinen Roman zu Ende geschrieben – zumal alle Moderationen von Firmenveranstaltungen oder Diskussionsrunden, die vorgesehen waren, wegen der Pandemie komplett abgesagt wurden …
Staub:
Wie entstand die Idee, ein Buch über die eigene Großmutter zu schreiben?
Delling: „Ella & Co. KG“ gibt es auch als Hörbuch, das ich selbst eingesprochen habe. Auch wieder eine ganz neue Erfahrung, die mehr als 400 Seiten laut zu lesen …
Staub:
Du arbeitest auch als Personal Coach. Wie bist Du darauf gekommen und was kann ich mir darunter vorstellen?
Delling: Das hat sich vor längerer Zeit ergeben, als mich ein Unternehmer für eine Firmenmoderation verpflichten wollte und mir am Rande erzählte, welche Probleme gerade im Betrieb auftreten. Die hatten (fast) alle mit Kommunikation zu tun – und da konnte ich schnell helfen. Andererseits kamen in der Folge auch immer wieder einzelne Personen auf mich zu, die vor einem Auftritt in der Öffentlichkeit standen, einem Vortrag, einer Pressekonferenz oder einem wichtigen Gespräch. Damit kenne ich mich seit über 40 Jahren beruflich aus. Da ist es logisch, dass ich weiß, worauf es ankommt und das auch gern weitergebe.
Staub:
Eine Deiner Töchter, Katharina, ist bekanntlich in Deine TV-Fußstapfen getreten. Sie ist regelmäßig bei RTL zu sehen und hat sich auf Großbritannien spezialisiert. Wie stolz bist Du als Papa und gibt es mal kritische Kommentare von Dir?
Delling: Ich bin fast peinlich stolz auf alle drei Töchter. Sie sind das Wichtigste für mich. Katharina habe ich anfangs immer wieder ungefragt Tipps gegeben, weil ich ihr ein paar meiner Fehler ersparen wollte. Und ich habe sie animiert, sich was die Arbeit angeht immer zu hinterfragen, wo es nicht so gut lief, warum und wie sie es das nächste Mal besser machen könnte. Das war bestimmt anstrengend. Mittlerweile hat sie aber ihre eigene Persönlichkeit auch vor der Kamera entwickelt, so dass ich sie fast nur noch als stolzer Vater anrufe.
Staub:
Wenn ich schon mal auf unserem Sofa einen so erfahrenen Sportmoderator sitzen habe: Wie bewertest Du die aktuelle Situation der Fußballnationalmannschaft?
Delling: Eine schwierige Lage, die nach Löws Ankündigung, nach der EM aufzuhören, nicht leichter geworden ist. Jetzt wird nach jedem schwachen Spiel nicht die Spieler- sondern die Trainerfrage gestellt. Das schafft Raum für Alibis des kickenden Personals. Ich achte den Bundestrainer sehr, er ist ein toller Fachmann, sehr interessiert und sensibel für neue Entwicklungen und insgesamt wirklich ein Segen für den deutschen Fußball. Aber diese leichtsinnig verpatzte WM 2018 hat alles ins Wanken gebracht – zwischenzeitlich auch Löws Grundeinstellung. Ich kann nicht verstehen, warum er Müller, Boateng und Hummels quasi rausgeworfen hat. Er hätte sie einfach nicht nominieren müssen, wenn sie seiner Meinung nicht die entsprechende Leistung bringen. Doch die sind immer noch besser als der Nachwuchs, der sich wiederum nicht wirklich steigern kann, weil er sich nicht besser als die Alten beweisen muss.
Staub:
Wer kommt nach Jogi Löw?
Delling: Ich könnte mir vorstellen, dass der DFB bei Bewährtem bleibt – das wäre dann U21-Trainer Stefan Kuntz. Ich fände allerdings einen ganz neuen Impuls etwas verlockender …
Staub:
Als HSV-Fan mit der Raute im Herzen muss ich Dir die Frage stellen: St. Pauli oder HSV?
Delling: Ich habe eine große Affinität zum HSV, zumal ich dort mein allererstes Bundesligaspiel als Steppke gesehen habe. Allerdings sind die Fehler der nahen Vergangenheit schwer verdaulich. St.Pauli verfolge ich aber auch mit Sympathie, weil dieser Verein immer noch seine ganz eigene Identität bewahrt hat. Ich würde mir beide Clubs in der Bundesliga wünschen plus Holstein Kiel. Als gebürtiger Holsteiner hoffe ich endlich auf den allerersten Bundesligaverein aus dem ganz hohen Norden.
Staub:
Was sagst Du zur aktuellen Lage des HSV? Schaffen die Volkspark-Kicker den Aufstieg in die 1. Liga?
Delling: Das muss eigentlich klappen, weil der Kader stark genug ist und die Konkurrenz auch nicht aus Überfliegern besteht. Aber das habe ich in den vergangenen Jahren auch schon immer gesagt …
Staub:
Du bist nicht nur langjähriger Sportmoderator, sondern auch Journalist. Was planst Du in der Zukunft?
Delling: Ich bleibe sicher im Sportjournalismus, bin aber auch an Politik-, Wirtschafts- und Gesellschaftsthemen interessiert. Mal schauen, was sich da noch anbietet. Außerdem habe ich weiterhin Spaß am Schreiben und Kommunizieren. Es wird bestimmt nicht langweilig.
Staub:
Sehen wir Dich bald wieder vor der Fernsehkamera?
Delling: Gern, aber nur, wenn es ein Format gibt, das auch mich fesselt und interessiert. Idealerweise hat es mit Menschen zu tun und liefert Anschauungen, Beispiele und individuelle Lösungen auch für andere Menschen.
Staub:
Wie beurteilst Du die Sportmoderationen Deiner Kolleginnen und Kollegen im TV?
Delling: Die sehe ich zwar oft, würde mich aber nie zu anderen und deren Art zu arbeiten äußern.
Staub:
Eine letzte Frage an Dich, Du wohnst auch hier in der Region Oberalster in Duvenstedt. Was bedeutet Dir diese Wohngegend und die Umgebung?
Delling: Ich fühle mich schon seit 30 Jahren wohl in den Walddörfern. Ein wunderbarer Erholungsort – insbesondere für Familien mit Kindern, aber auch zum Joggen etwa rund um das Wittmoor. Ich genieße auch meine sehr freundschaftliche Nachbarschaft, aber auf Sicht werde ich in die Innenstadt ziehen – näher ran ans hoffentlich sehr bald wieder startende Kulturleben und auch, weil die Kinder längst aus dem Haus sind und auf Besuch meist eher Freunde in der Stadt treffen.
Staub:
Vielen Dank, Gerhard, für das Interview an diesem ungewöhnlichen Ort. Ich wünsche Dir viel Erfolg mit Deinem Buch und freue mich schon jetzt, Dich hoffentlich bald wieder im Fernsehen zu sehen.
Das Interview führte Thomas Staub