Mit Gaming fit im Alter
Der therapeutische Nutzen von Videospielen
Fragen und Antworten
Die digitale Welt begeistert zunehmend auch die ältere Generation. Auf dem gigantischen Gaming-Markt tummeln sich nicht nur Spiele für Jugendliche oder junge Erwachsene. Sogenannte Silvergames sind Videospiele, die gezielt auf die ältere Generation abgestimmt sind. Längst werden die Spiele nicht nur der Spieleuphorie wegen genutzt. Auch die Anwendung aus therapeutischer Sicht spielt eine große Rolle. Adalbert Pakura ist Geschäftsführer der Firma RetroBrain R&D, ein Unternehmen, das sich auf die Entwicklung von therapeutisch-präventiv wirksamen Videospielen spezialisiert hat. Im Gespräch mit dem Duvenstedter Kreisel erklärt er, warum immer mehr Senioren in die Spielewelt eintauchen und von den Vorteilen profitieren.
Duvenstedter Kreisel:
Sind Computerspiele nur unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine beliebte Freizeitbeschäftigung?
Adalbert Pakura: Nein, Computerspiele sind als wesentliches Kulturmedium des ausgehenden 20. Jahrhunderts längst mitten in der Gesellschaft angekommen. ter.
Finden sich auf dem aktuellen Gamingmarkt Spiele für jedes Alter?
Auf der einen Seite gibt es zunehmend mehr Angebote, die sich an konkrete Altersgruppen wenden, gleichzeitig spielen allgemein auch ältere Menschen gern und viel Computerspiele, die im Kern für alle Altersgruppen offen sind.
Dass Großmutter im virtuellen Raum zockt, ist also nichts Ungewöhnliches mehr?
Senior:innen sind eine stark wachsende demographische Gruppe im Gaming-Markt, nachdem viele Jahre explizit junge Menschen adressiert wurden.
Haben Gamingspiele für ältere Menschen einen zunehmend therapeutischen Zweck?
Das kann man nicht so pauschal sagen, aber es entstehen allgemein immer mehr Angebote, die als „Serious Games“ oder auch „Games for Impact“ eingeordnet werden können und einen „ernsthaften“ Zweck verfolgen können.
So ist auch die von Ihnen konstruierte Spielkonsole memoreBox speziell für Senioren gedacht?
Ja, die Spiele wurden für und vor allem mit Senior:innen entwickelt, um die Bedürfnisse der Zielgruppe optimal abzudecken.
Gehören daher Computerspiele in immer mehr Senioreneinrichtungen zum gängigen Freizeitangebot?
Mit den therapeutischen Videospielen auf der memoreBox sind wir mittlerweile in über 220 (teil-)stationären Pflegeeinrichtungen in ganz Deutschland aktiv und haben uns zum Ziel gesetzt, irgendwann in jedem Pflegeheim in Deutschland für Freude und Abwechslung zu sorgen.
Welche Philosophie steckt hinter Ihrem Unternehmen RetroBrain R & D?
Durch den Einsatz von evidenzbasierten, therapeutischen Videospielen unterstützen wir ältere Menschen dabei ihren Alltag aktiver zu gestalten.
Kegeln, Tanzen, Tennis spielen – was Senioren früher aktiv in ihrer Freizeit betrieben haben, das tun sie nun wieder, nur eben virtuell?
Genau, wir übertragen therapeutische Spielkonzepte in motivierende, bewegungsgesteuerte Videospiele. An der memoreBox können Senior:innen u.a. kegeln, tanzen oder sogar Tischtennis spielen.
Hält die virtuelle Spielewelt den Geist älterer Menschen lebendig?
Bestimmte Videospiele, das zeigt die aktuelle Forschung, können einen positiven Einfluss auf die motorische, aber auch die kognitive Leistungsfähigkeit haben. Das wollen wir mit der memoreBox auch erreichen.
Wie funktioniert das genau?
Die Frage ist, ob sich unterstützt durch die geistige Bewegung neue Nervenzellen bilden. Studien zeigen, dass zum Beispiel durch „Navigationsaufgaben“ in Videospielen die kognitive Leistungsfähigkeit gestärkt werden kann. Diese Prinzipien machen wir uns in unseren Spielmodulen zu eigen und wenden die Erkenntnisse aus der Forschung an.
Können die Folgen eines altersbedingten Bewegungsmangels mit Computerspielen kompensiert werden?
Therapeutische Videospiele, wie die auf der memoreBox, werden zusätzlich zu bestehenden Angeboten in Prävention und Gesundheitsförderung eingesetzt und können einen wertvollen Beitrag leisten, sollten aber nicht als alleiniges Mittel verstanden werden.
Haben Computerspiele im Hinblick auf Demenz einen positiven Effekt?
Bestimmte Videospiele können bei neurologischen Erkrankungen wie Demenz positive Effekte erzeugen. In einer Studie mit dem UKE Hamburg erforschen wir aktuell die potentiellen Effekte auf Patient:innen mit einer MCI (Mild Cognitive Impairment), einer Vorstufe zur Demenz, und hoffen auf positive Ergebnisse.
Was haben Neurowissenschaftler in Bezug auf Gaming im Alter nachgewiesen?
Die Forschung in Bezug auf die positiven Effekte von Gaming ist ein recht junges Feld. Schon jetzt gibt es aber viele Erkenntnisse, die uns optimistisch stimmen, weiter mit dem Kulturmedium „Videospiel“ im Bereich der Prävention aktiv zu sein.
Sie entwickeln seit 2014 therapeutisch-präventiv wirksame Videospiele für gesunde und von Demenz, Parkinson und Schlaganfall betroffene Seniorinnen und Senioren.
Ja, aktuell arbeiten wir primär an Angeboten für Senior:innen in der (teil-)stationären Pflege.
Welche Games zählen zu den beliebtesten unter Senioren?
Besonders beliebt ist bei uns das „Kegeln“, weil sich viele Senior:innen an ihre aktive Zeit auf der Kegelbahn zurückerinnern.
Wie führen Sie ältere Menschen in die virtuelle Spielewelt ein?
Wir haben bei der Entwicklung der memoreBox besonders auf Usability geachtet, also dass die Software möglichst einfach zu nutzen ist. Daher braucht es nur sehr wenig Einführung.
Wie reagieren Senioren auf das Thema Gaming und die spielerischen Herausforderungen?
Oftmals ist die Skepsis eher bei Mitarbeitenden der Einrichtungen oder bei Angehörigen zu finden. Die Senior:innen selbst haben meistens direkt Spaß an den Spielen und sind neugierig und wissbegierig.
Wird die memoreBox wegen ihres therapeutischen Potenzials von der Krankenkasse finanziert?
Nach vielen Jahren gemeinsamer wissenschaftlicher Begleitevaluationen bringt die BARMER die memoreBox in die Regelversorgung. Pflegeeinrichtungen in ganz Deutschland können sich nun den Einsatz therapeutischer Videospiele im Rahmen von Präventionsprojekten von allen Pflegekassen fördern lassen.
Herr Pakura, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch.
Das Interview führte Anja Junghans-Demtröder.