Waldgespräch mit Thorsten Schröder
Interview mit dem bekannten „Tagesschau“-sprecher und NDR Info-Moderator
Hallo Thorsten, schön dass Du es zu uns in den Tangstedter Forst auf das Sofa zum letzten Waldgespräch in diesem Jahr geschafft hast. Wie ich weiß, steckst Du schon wieder mitten in den Vorbereitungen des Ironman auf Hawaii. Aber lass‘ uns zunächst über Deinen Beruf als „Tagesschau“-Sprecher reden.
Thomas Staub, Duvenstedter Kreisel:
Ich werde immer wieder von vielen Freunden und Bekannten gefragt, die wissen, dass ich seit vielen Jahren auch beim NDR arbeite, wie man eigentlich „Tagesschau“-Sprecher*in wird. Wie war Dein Weg auf den beliebten 20-Uhr- Platz? Wahrscheinlich ist Dir diese Frage schon oft gestellt worden …
Thorsten Schröder: Stimmt, diese Frage steht im Beliebtheitsranking ganz weit oben. Jeder von uns im Team hat seinen eigenen Weg in die 20 Uhr. Judiths oder Jens‘ Weg war ein anderer als meiner. Ich habe Volkswirtschaft studiert und anschließend ein Volontariat beim NDR gemacht. Ich bin also zum Redakteur ausgebildet worden. Danach habe ich als Reporter, Sprecher und Nachrichtenschreiber beim Hamburger NDR-Radiosender 90,3 gearbeitet. Dort hat damals die damalige Chefsprecherin Dagmar Berghoff eine Unterhaltungssendung moderiert. So liefen wir uns ab und an über den Weg. Sie sah mich, kannte meine Stimme und lud mich zum „Tagesschau“-Casting ein. Und dort hatte ich das Glück ausgewählt zu werden. Mir kam wohl auch zugute, dass ich über das Volontariat hinaus regelmäßig zum Sprechunterricht gefahren bin – alle paar Wochen von Hamburg nach Hannover, denn meine Sprechtrainerin sagte mir, dass aus mir mit dieser Stimme noch was werden könnte. „Du kommst noch zur ‚Tagesschau’“, meinte sie. Ich hielt das für völlig unrealistisch, aber sie hat recht behalten.
Staub:
Gibt es bei Euch Kolleginnen und Kollegen eigentlich so eine Art Bestenliste der Versprecher? Was war Dein persönlich schlimmster Versprecher?
Schröder: Eine Bestenliste gibt es nicht. Es gibt so viele Versprecher, die wirklich lustig sind. Ich sehe immer wieder gern einen Zusammenschnitt der schönsten Szenen. Mein Favorit ist der Fauxpas unseres Kollegen Claus-Erich Boetzkes, der die Nachmittags-„Tagesschauen“ moderiert. Der sagte einmal zur Börsenreporterin: „Danke an Heidi Sissmanek. Nein, Entschuldigung, an Sissi Hajtmanek.“ Das war großartig. Ich muss schon lachen, wenn ich nur daran denke. Ich verhaspele mich eigentlich nur, das ist leider etwas langweilig. Mein blödester Versprecher war, als ich statt „Kanzlerin Merkel“ „Kanzlerin Kohl“ sagte. Der Fehler ist erklärbar. Es war die Woche, in der Helmut Kohl 80 Jahre geworden war. Und da ich diverse Berichte und Reportagen dazu gesehen und gelesen hatte, hatte ich Kohl als Kanzler abgespeichert. Ich bin ja mit Kohl als Regierungschef groß geworden, deshalb war er plötzlich bei mir wieder sehr präsent. Der Versprecher war mir noch Wochen später peinlich. Zum Glück unterlief mir der Patzer nur im Off. Ich war also nicht im Bild zu sehen, sondern nur zu hören, sonst würde er sicher häufiger irgendwo auftauchen.
Staub:
Einige Deiner Kolleginnen wie Linda Zervakis oder Pinar Atalay haben kürzlich den NDR bzw. ARD-aktuell verlassen und sind zu RTL gewechselt? Warum wechseln so viele Sprecherinnen und Sprecher zu den Privaten?
Schröder: So viele Abgänge sind es nun auch wieder nicht. Die meisten Kollegen bleiben zum Glück. Für die, die uns verlassen haben, muss es gute Angebote gegeben haben. Linda Zervakis zum Beispiel ist nicht nur eine gute Nachrichtensprecherin, sondern auch bestens für die Unterhaltung geeignet. Und wenn ein anderer Sender ihr die Möglichkeit gibt, sich weiter zu entfalten, dann ist klar, dass Sie die Chance ergreift. Ihren Weggang und auch den von Pinar finde ich sehr bedauerlich. Ich habe mit beiden wahnsinnig gern zusammengearbeitet. Ein echter Verlust. Bei Jan Hofer ist es genauso. Ich fand es sehr schade, dass er gegangen ist. Allerdings war der Abschied vom NDR wegen seines Alters nicht überraschend. Überraschend war, dass er nicht in Rente, sondern zu RTL gegangen ist.
Staub:
Wir kennen Dich ja mittlerweile nicht nur aus der „Tagesschau“, sondern auch als Triathlet. Auf Deinem YouTube-Channel, den ich nur empfehlen kann, hast Du gesagt, dass Du Dich für den zweiten Ironman auf Hawaii angemeldet hast. Bist Du nun bei der nächsten Triathlon-Weltmeisterschaft wieder dabei? Und was heißt das für Dein Trainingspensum?
Schröder: Ob ich wieder auf Hawaii starten kann, hängt vom Qualifikationsrennen im Sommer 2022 in Frankfurt ab. Dafür trainiere ich eisern und versuche es zu schaffen. 2017 habe ich mich bereits einmal für die WM auf Hawaii qualifiziert, aber das war ein hartes Stück Arbeit. Die Vorbereitung dauert in jeder Saison acht bis neun Monate. Es geht mit einem wöchentlichen Trainingspensum von etwa acht bis zehn Stunden in Herbst und Winter los, im Frühjahr bis zum sommerlichen Ironman-Rennen steigert es sich auf 15 bis 20 Stunden, manchmal auch mehr. Beim Training radele ich auch gern durch den Tangstedter Forst gen Norden. Da gibt es dann außer Arbeit und Sport nicht mehr viel. Aber es macht mir wahnsinnig viel Spaß. Dieser Sport ist so schön abwechslungsreich und ich bin viel draußen an der frischen Luft und ich kann mich auspowern. Zum Training gehören nicht nur Radfahren, Schwimmen und Laufen, sondern auch Rumpfstabilität. Die gesamte Körpermuskulatur, insbesondere Bauch und Rücken, müssen trainiert werden. Man will ja nicht vor Kraftlosigkeit wie der schiefe Turm von Pisa über die Ziellinie laufen. Wichtig ist immer, dass die Familie, der Partner, die Partnerin das Pensum akzeptieren und mitziehen. Meine Freundin unterstützt mich dabei sehr und übernimmt in der Hochphase des Trainings vieles von dem, was wir uns sonst teilen: Einkaufen, Putzen, Kochen. Ohne sie hätte ich es 2017 sicher nicht nach Hawaii geschafft.
Staub:
Wie kam es eigentlich zu Deiner Triathlon-Leidenschaft?
Schröder: Als Kind war ich noch leidenschaftlicher Fußballer und wurde damals niemals ohne einen Ball am Fuß gesehen. Ich habe für den FC Voran Ohe, meinen Heimatverein in Schleswig-Holstein, gespielt. Ich musste aber schon als Jugendlicher wegen Wirbelgleiten am Rücken operiert werden. Damit war meine Fußballkarriere abrupt beendet. Ein schwerer Schlag. Ich bin beim Arzt, der mir sagte, ich dürfe keinen Fußball mehr spielen, zusammengebrochen: Kreislaufkollaps. Ich habe Fußballspielen halt geliebt. Aber später entdeckte ich eine neue Leidenschaft: den Triathlon. Dazu bin ich gekommen, weil mit diesen drei Sportarten keine so abrupten Bewegungen verbunden sind, so dass ich sie ohne Probleme auch mit meinem angeschlagenen Rücken ausüben konnte und immer noch kann. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich trotz dieser Rückengeschichte so grandiose sportliche Erlebnisse habe. Als ich einige Jahre nach der OP wieder Fußball spielen durfte, hatte ich ein Zeitproblem. Wenn meine Kumpels zum Feierabend kickten, hatte ich häufig Dienst. Meine Arbeitszeiten sind eher für Individualsportarten gemacht. Meinen ersten kleinen Triathlon habe ich 1998 absolviert. Ein Freund fragte eines Tages, ob wir übers Wochenende mit unseren Freundinnen nach Föhr fahren und nebenbei bei einem Triathlon mitmachen wollten. Ich hatte nichts dagegen, versuchen konnte man es ja mal. Dieser Triathlon hat so viel Spaß gemacht, dass ich mehr davon wollte. Nach vielen Jahren auf den kürzeren Strecken suchte ich eine neue Herausforderung und probierte es 2012 erstmals mit einer Langdistanz. Ich wollte herausfinden, ob ich in der Lage sein könnte, bei einem Ironman 226 Kilometer aus eigener Kraft zurückzulegen. Das war für mich zunächst unvorstellbar. Doch es hat funktioniert und ich liebe diesen Sport.
Staub:
Du hast ein Buch geschrieben. Was erwartet den Leser in „Mein Weg zum härtesten Triathlon der Welt“?
Schröder: In dem Buch beschreibe ich zwar, wie ich es nach Hawaii geschafft habe, aber es ist kein reines Sport-Buch. Ich erzähle zum Beispiel, dass ich als Junge Fußballreporter oder Fußballprofi werden wollte, wie ich zum NDR gekommen bin und schließlich bei der „Tagesschau“ landete. Es ist also viel Biografisches dabei, mit dem Sport als roter Faden – und wie ich mir mit einigen Strapazen, Disziplin, Spaß und etwas Glück auf dramatische Art und Weise meinen Hawaii-Traum erfüllt habe. Ich glaube behaupten zu können, dass es auch ein humorvolles Buch geworden ist, das zudem zum Sporttreiben motiviert. So höre ich es jedenfalls immer wieder von Leserinnen und Lesern und auf meinen Lesungen.
Staub:
Wenn Du nicht die 20-Uhr-„Tagesschau“ sprichst oder zufällig den Ironman bestreitest, was machst Du dann?
Schröder: Jedenfalls langweile ich mich nicht. Ich spiele gerne Klavier, wenn auch nicht sonderlich gut, aber auch da ist das Wichtigste, dass es mir Spaß macht. Außerdem absolviere ich gerade ein kleines Fernstudium: Mental-Training für Sportler. Dafür muss ich meine Abschlussarbeit schreiben. Natürlich hängt das Interesse an mentaler Stärke mit dem Triathlon und der Langdistanz zusammen. Denn der Kopf kann darüber entscheiden, ob ein Rennen gelingt oder nicht. Du kannst in den drei Disziplinen hervorragend trainiert sein, wenn aber die mentale Stärke fehlt, machst du schon vor dem Zielstrich schlapp. Außerdem gehe ich gern ins Theater, Kino und in Konzerte. Ich muss zugeben, dass dabei meine Freundin die treibende Kraft ist, die ständig Karten organisiert. Ich sitze in Frühling und Sommer auch gern einfach im Garten und genieße die Ruhe, Flora und Fauna.
Staub:
Mit Dir trifft ein leidenschaftlicher St. Paulianer auf einen HSV-Supporter-Fan. Für Eure Truppe läuft es ja sehr gut – besser als zur Zeit beim HSV. Was meinst Du, warum und wird es mit dem Aufstieg klappen?
Schröder: Die Lage beim HSV ist aktuell ein Trauerspiel. Ihr gehört eigentlich in die Bundesliga, zumindest was Tradition und Geschichte anbelangt. Stattdessen krebst der Club in der zweiten Liga herum. Dagegen ist im Moment mein FC St. Pauli einfach bärenstark. Man weiß aber nie, wie lange das so bleibt und ob sich die Verhältnisse bald wieder umkehren. Allerdings scheint mir die Grundlage bei St. Pauli diesmal sehr solide zu sein. Im Kader stehen viele sehr starke Einzelspieler; der Erfolg hat nicht nur etwas mit mannschaftlicher Geschlossenheit zu tun. So viele Leute, die wirklich gut mit dem Ball umgehen können, hatten wir wohl noch nie. Außerdem hat St. Pauli in einer langen Krisenphase am Trainer festgehalten und ihm Zeit gegeben, etwas zu entwickeln. Das finde ich genau richtig und es zahlt sich jetzt aus. Beim HSV wird oft zu schnell der Trainer gefeuert. Aber wir sind noch nicht am Ende der Saison – es kann noch viel passieren.
Staub:
Weihnachten steht vor der Tür. Wie verbringst Du die Feiertage? Sündigst Du auch, genießt Kekse und tolles Festessen?
Schröder: Weihnachten ist bei uns immer ein großes Familienfest. Wir kommen mit den Familien meiner beiden Schwestern sowie mit meiner Mutter zusammen und feiern in größerer Runde. Erst wird traditionell ausgiebig Raclette gegessen, danach setze ich mich ans Klavier und wir singen zunächst Weihnachtslieder. Dann geht es langsam über zu Pop- und Rock-Songs, die jeder kennt und mitsingen kann. Es wird immer eine sehr lange Weihnachtsnacht – mit viel Wein für den Mann am Klavier. In diesem Jahr aber werde ich mich auch an Weihnachten beim Alkohol und bei Süßigkeiten zurückhalten für mein großes Ziel, erneut nach Hawaii zu kommen.
Staub:
Was hast Du Dir für das Jahr 2022 vorgenommen?
Schröder: Ich habe mir noch nie große Vorsätze für ein neues Jahr genommen. In das Jahr 2022 fällt aber mein großes sportliches Ziel, die Quali für Hawaii. Das werde ich im ersten Halbjahr mit ganz viel Energie angehen – und werde sehen, was dabei herauskommt. Wenn es mit Hawaii klappt, stünde im Herbst eine schöne Urlaubsreise mit meiner Freundin an. Wenn nicht, dann wäre das zwar schade, aber nicht schlimm.
Staub:
Vielen Dank, Thorsten, dass Du mich auf dem Sofa im Tangstedter Forst besucht hast. Ich wünsche Dir viel Erfolg für die Quali für Hawaii.
Das Interview führte Thomas Staub