Heimkino 8
Annekes (Ent-)Spannungstipps
Happy Holidays muss ja nicht gleich Familienfilm bedeuten. Auch wenn sich der Dezember und die Feiertagsstimmung nähern, steht Ihnen der Sinn vielleicht trotzdem nach etwas weniger saisonspezifischer Film- und Serienspannung.
Hier ein paar Tipps für aufregende und/oder unterhaltsame Wollsocken- und Glühweinabende (oder –tage) im Heimkino:
Vermutlich wurde Ihnen in den letzten Wochen schon oft die großartige (wenn auch wegen einiger Realnachspielaktionen teils umstrittene), bedrückende, handlungs- und emotionsdichte, grandios gespielte (no pun intended) südkoreanische Serie Squid Game empfohlen – und mit Recht! Um mich aber nicht einfach in die lange Reihe der absolut gerechtfertigten Empfehlungen zu begeben, mache ich Sie stattdessen an dieser Stelle auf eine andere brutale, herzzerreißende und aufregende neue Netflixproduktion aus Südkorea aufmerksam: My Name. Inhaltlich hat sie zwar sehr wenig mit Squid Game gemein, dennoch könnte sie ein ähnlich spannungsinteressiertes Publikum anziehen. Bei dieser Racheserie, bestehend aus acht Folgen, sollten Sie sich nicht nur gefasst machen auf sehr gute Action, überzeugende Darstellungen und für Rachethriller typische Momente von illegaler Genugtuung, sondern Sie sollten – ähnlich wie bei Squid Game – definitiv vor allem auch Ihre Taschentücher bereithalten und sich auf einen emotionsgeladenen Pfad der blutigen und zerstörerischen Konfrontation gefasst machen. Die 17-jährige Yoon Jiwoo (dargestellt von der fantastischen und unheimlich wandelbaren Han So-hee, die jüngstens vor allem für ihre Rolle in Nevertheless, Aufmerksamkeit erhielt) ist Tochter eines alleinerziehenden Gangsters, zu dem sie eine enge Beziehung hat. In der Schule wird sie wegen ihrer Familie schlimm gemobbt, was sie zum Abbruch ihrer schulischen Laufbahn bewegt. Eines Abends kommt ihr (sich eigentlich auf der Flucht befindende) Vater nach Hause um sie zu sehen, wird aber vor der Tür kaltblütig ermordet. Jiwoo schwört Rache und tut sich dafür mit dem Kartellchef, für den ihr Vater arbeitete, zusammen. Ob bei Fragen der Kinematographie, des Schnitts, der schauspielerischen Leistungen, der Action – die Serie kann locker mit riesigen Hollywoodproduktionen des Genres mithalten. Regisseur Kim Jin-Min leitete übrigens auch eine andere düstere, spannende und großartige Netflixserie an: Extracurricular.
Von der Kritik berechtigterweise sehr gut aufgenommen wurde der deutsche Thriller Die Heimsuchung, welcher Ihnen bis zum 25.12. in der ARD-Mediathek zur Verfügung steht. Ohne Frage ist dieser Film einer, der Zuschauer:innen zum Mitdenken bewegt und an die Sessel fesselt. Kostja Ullmann spielt den BKA-Polizisten Ben, der nach einem schiefgelaufenen Einsatz aus dem künstlichen Koma erwacht. Er wollte ein kleines entführtes Mädchen retten, konnte ihren Tod jedoch nicht verhindern und wurde selbst angeschossen. Aufgrund der großen psychischen Belastung, die ihn das tote Mädchen in allen Ecken des Hauses sehen lässt, wird er von seiner Freundin Marion (Kristin Suckow), die Professorin für Neurologie ist, dazu ermutigt, mit ihr zu seinen Eltern an die Ostsee zu fahren. Dies bedeutet für Ben aber keine einfache Rückkehr in die Heimat, sondern vor allem, sich seinen eigenen Kindheitsdämonen zu stellen, die er in den langen Jahren der Abwesenheit zu verdrängen versucht hat. Falls die ARD demnächst mehr solch toller Filme produziert, macht mir der monatliche Rundfunkbeitrag definitiv sehr viel weniger aus.
Vor einer kurzen Weile hat Netflix die US-amerikanische Workplace-Comedyserie Superstore zu seinem Repertoire hinzugefügt. Hier kämpft sich eine bunte Gruppe von Megamarktarbeiter:innen auf höchst unterhaltsame Art durch den Alltag. Der Studienabbrecher Jonah (Ben Feldman) sucht eigentlich eher nach einem Übergangsjob, findet aber bald Freude an der Arbeit mit dem exzentrischen Team und vor allem mit der Abteilungsleiterin Amy (America Ferrera, vielen bekannt aus Ugly Betty und Eine für 4). Besonderen Einschaltwert verdient die Serie für ihr urkomisches Ensemblecast, das wunderbar harmoniert, sowie für die Liebe zum humorigen Detail, welches vielleicht erst beim zweiten Sehen auffällt. Falls Sie Brooklyn Nine-Nine, Community, Parks & Recreation, IT Crowd und die US-Version von The Office mochten, wird Ihnen bestimmt auch Superstore zusagen.
Christopher Nolans bildgewaltigen und hochspannenden Filme sind den meisten von uns sehr bekannt, doch bin ich manchmal überrascht davon, wie viele Leute sein Thrillerwerk von 2006, Prestige – Die Meister der Magie, nicht kennen – dabei ist der Film nicht nur auf Platz 47 der bestbewerteten Filme auf IMDb, sondern kann auch ein großartiges, hochkarätiges Cast vorweisen. Kurzum: Falls auch Sie den Film noch nicht kennen, sollten Sie ihn sich schnellstens ansehen. Im späten 19. Jahrhundert leisten sich Hugh Jackman und Christian Bale als Robert Angier und Alfred Borden ein Zaubererduell der Meisterklasse. Die beiden Zauberkünstler beginnen ihre Karriere unter der Anleitung von John Cutter (Michael Caine). Ihre geteilte Passion für überzeugende Zauberkunst führt zu großen Illusionen auf der Bühne. Doch als Angiers Ehefrau bei einem Trick stirbt, macht dieser Borden dafür verantwortlich – so entwickelt sich das, was als freundschaftlicher Wettstreit begann, zu einem erbitterten Kampf auf der Bühne und dahinter. Teil des Schauspielensembles sind darüber hinaus auch Scarlett Johannson, Rebecca Hall und Andy Serkis – sogar David Bowie spielt als Nikola Tesla mit. Diesen Film für Fans von Inception, Der Illusionist, und V wie Vendetta gibt es zum Beispiel bei Prime Video.
Falls Ihnen der Sinn doch nach etwas Feiertagsthematik steht, Sie aber Tatsächlich… Liebe, Schokolade zum Frühstück und Das Wunder von Manhattan nicht mehr sehen können, empfehle ich Happiest Season (im Sky Cinema Ticket enthalten), Sylvies Liebe (strenggenommen keine Festtagsthematik, aber stimmungstechnisch trotzdem sehr passend, weil absolut wunderbar, familiär und romantisch), den weitgreifend komplett unterschätzten Superknaller der schwarzen Komödie Kiss Kiss Bang Bang (zum Leihen verfügbar auf verschiedenen Plattformen) oder das grandiose Filmdrama Tangerine L.A. (ebenfalls zum Ausleihen verfügbar) über eine trans* Sexarbeiterin, die mit Unterstützung einer guten Freundin an Heiligabend nach ihrem sie betrügenden Freund sucht.
Anneke Schewe