Heimkino
Annekes (Ent-)Spannungstipps
Der Februar wartet wieder auf mit perfektem Einmummelwetter. Wenn es draußen schneit, dann regnet, dann windet, dann stürmt, dann bleibt mensch bei Möglichkeit doch ganz gerne abends mal auf dem Sofa liegen. Dazu gehören bekanntlich: Tee, Kakao, Schoko, und vielleicht auch ein, zwei Filmchen. Ein paar Tipps, alt und neu, gibt es hier.
Ein Comedy- und Dramadarsteller, den ich für einen treffsicheren Garanten für unterhaltsames Filmvergnügen halte, ist der großartige Bill Nighy. Eine seiner Glanzperformances können Sie sich in der herrlich schwarzen Komödie Wild Target (im Deutschen mit dem furchtbaren Untertitel Sein schärfstes Ziel versehen) von Jonathan Lynn zu Gemüte führen, die eine gelungene Neuverfilmung der französischen Krimikomödie Der Killer und das Mädchen ist. In Wild Target spielt und harmoniert Nighy vortrefflich mit den urkomischen Co-Hauptdarsteller:innen, Emily Blunt (A Quiet Place, Der Teufel trägt Prada, The English) und Rupert Grint (a.k.a. Ron aus den Harry-Potter-Filmen). Nighy mimt einen Französisch übenden, alternden Auftragskiller namens Victor Maynard, der das „Geschäft“ von seinem Vater übernommen hat. Seine Mutter macht ihm zunehmend Druck, dass er für Nachwuchs sorgen muss, damit das mörderische Familienunternehmen weiterlaufen kann. Das titelgebende „wild target“ ist die extrem findige und dreiste Diebin wie Betrügerin Rose (Blunt), auf die er nach deren Rembrandt-Betrug angesetzt wird. Spontan findet er sie jedoch etwas zu unterhaltsam um sie zu töten, wodurch er widerwillig plötzlich zu ihrem Bodyguard wird. Auf der Flucht vor weiteren Killern gabeln die beiden noch den gutmütigen Tony (Grint) auf. Die darauffolgenden gemeinsamen Abenteuer des ungleichen Trios sind seltsam, lustig und überraschend herzerwärmend. Auch das weitere Cast ist übrigens vortrefflich: Martin Lawrence, bekannt aus der Cornetto-Trilogie, Der Hobbit und Sherlock, spielt einen weiteren Killer, der sich selbst gerne als Victors größten Rivale darstellt. Die legendäre Eileen Atkins mimt Victors mordverliebte Mutter. Rupert Everett spielt den kriminellen Auftraggeber Ferguson, und Gregor Fisher ist Fergusons pechverfolgter Handlanger. Diese schräge Komödie für Fans von Mr. Right, Hot Fuzz und Grasgeflüster finden sie bei Prime.
Mit Das erstaunliche Leben des Walter Mitty aus dem Jahr 2013 zeigt Disney+ einen lebensbejahenden und einfach schön anzusehenden Film, bei dem Hauptdarsteller Ben Stiller die Regie übernahm. Basierend auf James Thurbers Kurzgeschichte „Walter Mittys Geheimleben“ aus dem Jahr 1936, wurde die Geschichte in die Gegenwart verlegt. Walter Mitty leitet das Fotoarchiv von Life, einem berühmten Printmagazin, das kurz vor der Übertragung ins ausschließliche Onlineformat steht, was viele Kündigungen nach sich ziehen wird. Walter ist ein ausgiebiger Tagträumer, dessen aufregendes inneres Leben in seinem äußerst ruhigen, verantwortungsbewussten und unscheinbaren Auftreten und Alltag kaum Ausdruck findet. Das Titelblatt der letzten Printausgabe soll ein Foto des gefeierten Fotografen Sean O’Connell (Sean Penn) zieren, der jenes als Negativ wie immer an Walter sendet. Doch ist eben dieses Bild nicht auffindbar, genauso wenig wie der recht mysteriöse da stets umherreisende Fotograf selbst. Da Walter für den Verlust verantwortlich gemacht wird und er sich auch selbst für das Negativ zuständig fühlt, erklärt er sich bereit, nach O’Connell zu suchen. Die Suche führt ihn an viele wunderschöne Orte auf der weiten Welt und bringt ihn mit äußerst interessanten Menschen zusammen, während er Abenteuer erlebt, die er sich so kaum hätte ertagträumen können. Falls Sie Der Ja-Sager, Big Fish oder Midnight in Paris mochten, wird Ihnen ganz sicher auch dieser schöne, fantasievolle Film gefallen.
Leider nach der ersten Staffel abgesetzt aber trotzdem ein Sehen wert ist die im November letzten Jahres herausgekommene Mystery-Thriller-Serie 1899. Von den Macher:innen der unheimlich spannenden Netflix-Serie Dark, Baran Bo Odar und Jantje Friese, profitiert auch diese Serie von einer komplexen Erzählweise und interessanten, vielseitigen Charakteren. Darüber hinaus ist die Serie auch dank der unterschiedlichen Sprachen ungewöhnlich und gelungen repräsentativ für eine Gruppe von Auswander:innen, die sich auf der Schiffsreise von London in die USA auf der Kerberos wiederfinden, weil sie sich im Amerika des späten 19. Jahrhunderts ein besseres Leben erhoffen. Plötzlich bekommen sie Nachricht vom monatelang vermissten Schwesternschiff Prometheus. Uneinigkeiten über das weitere Verfahren führen zu Unruhen auf dem Schiff – sollte die Kerberos einen riskanten Rettungsversuch starten oder ihren Kurs in die USA fortsetzen? Als ein nicht-sprechender mysteriöser Junge (beeindruckender Kinderdarsteller: Fflyn Edwards) gefunden wird, verdichten sich bald die Ereignisse und nehmen übernatürliche Dimensionen an. Das Hauptcast ist groß, doch werden die Charaktere dennoch sehr gut gezeichnet: von der moralisch integren britischen Ärztin Maura (Emily Beechum, bekannt z.B. aus Into the Badlands), dem deutschen wettergegerbten Kapitän Eyk (Andreas Pietschmann, der auch schon in Dark glänzte), der mysteriösen Ling Yi aus Hong Kong (Isabella Wie), dem hilfsbereiten blinden Passagier Jerôme (Yann Gael) zum hochempathischen polnischen Heizer Olek (Maciej Musiał), dem reichen und vorerst scheinbar arroganten Spanier Ángel (Miguel Bernardeau), und einer in sich äußerst vielfältigen Gruppe dänischer religiöser Extremist:innen haben alle Figuren ihren Platz, zeugen von Tatkraft, und beeinflussen die Handlung maßgeblich. Sie und der noch um einiges größere Resthauptcast bilden darüber hinaus einen Querschnitt der Gesellschaft ab, da sowohl die reichen Passagier:innen als auch die Arbeiter:innen und Passagier:innen aus den abgetrennten kostengünstigen Rumpfplätzen wichtige Rollen spielen. Falls Sie Dark, Counterpart und The OA mochten, wird Ihnen sicher auch diese faszinierende Show zusagen, die Sie auf Netflix finden können.
Anneke Schewe