Oldie, but …?
SchlusswORT VON WULF ROHWEDDER
Eigentlich hatte ich mit Musik-Festivals abgeschlossen: teuer, unpersönlich, durchkommerzialisiert, nur Stress – und die Gefahr, das aus frühen Bandtagen bereits vorgeschädigte Gehör weiter zu ruinieren. Aber dann kam diese Einladung eines ebenso sympathischen wie engagierten Veranstalters inklusive Backstage-Pass – da konnte man doch nicht Nein sagen, zumal das Line-Up zumindest zum Teil aus Schüler- und Studentenzeiten bekannt und geschätzt war.
Hinter der Bühne traf ich einige ältere, gesetzte Herren, die sich sehr höflich und zurückhaltend gaben. Örtliche Würdenträger? Nein, eben jene standen kurz danach auf der Bühne, um ihr Rock-Hip Hop-Crossover zu performen. Ein verstohlener, schneller Blick bei Wikipedia verriet: Der Sänger arbeitet zwischenzeitlich als Fachanwalt für Vertrags-, Urheber-, Medien- und Markenrecht und sah auch so aus – wobei auch ein Großteil des Publikums durchaus gutbürgerliches Flair, nun ja, versprühte, wäre wohl das falsche Wort.
Nichtsdestotrotz: Die Show stimmte – mit geschlossenen Augen konnte man sie sich auch 1998 vorstellen. Ist das nun peinlich? Für Kinder und Enkel der Zuschauer vielleicht, wenn die Alten mal so die Sau rauslassen.
Und man ist schließlich immer nur so alt, wie man sich fühlt, oder? Zumindest in meinem Fall ist diese Aussage schwierig, da das gefühlte Alter je nach Tagesform und -zeit um mehrere Jahrzehnte variieren kann. Zudem denke ich, dass jemand, der nahtlos vom Berufsjugendtum in die Altersinfantilität übergeht, sich so manch wertvoller Lebenserfahrung beraubt.
Trotzdem hat jeder den einen oder anderen Ausflug in die Jugend verdient. Warum nicht auch die eigenen Helden aus dieser Zeit feiern – insbesondere, wenn diese beweisen, dass sie es nach wie vor draufhaben und nicht für Autohaus-Eröffnungen oder zweifelhafte Finanzprodukte werben müssen?
In diesem Sinne: Rock on – aber bitte vielleicht nicht ganz so laut. Und Interessierten kann ich für solche Gelegenheiten gern einen professionellen Gehörschutz empfehlen.
Wulf Rohwedder